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Ein Drittel der Menschen in Deutschland reduziert oder vermeidet den Nachrichtenkonsum mittlerweile gänzlich – laut Reuters Digital News Report 2022. Viele empfinden die Berichterstattung als nicht mehr ausgewogen, die schiere Menge an Krisen, Katastrophen und Problemen sorgt nicht nur für schlechte Stimmung, sondern für ein dauerhaftes Gefühl der eigenen Hilflosigkeit.
Seit Anfang der 2010er Jahre gibt es die Strömung des Konstruktiven Journalismus. Was er leisten kann? Ziemlich viel, denn gut gemacht erweitert er das Berichtsspektrum sinnvoll und im Sinne aller. Und: Es gibt viele Kolleg:innen, die bereits so arbeiten – und viele, die es vorhaben. Wir möchten sie zusammenbringen, vernetzen und zeigen, wie wir von unserer Arbeit gemeinsam und im Austausch dauerhaft profitieren können.
Erstmals fand daher am 6. und 7. Juli im taz Haus in Berlin die Konferenz für Konstruktiven Journalismus 2023 statt – kurz #KKJ23. Wir danken sehr herzlich allen Teilnehmer:innen, Moderator:innen und Dozent:innen – und unseren Partnern.
Hier geht's zum Veranstaltungsbericht. Ein Ausblick auf Gemeinsames und Kommendes folgt hier in den nächsten Wochen.
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Im Zuge der Konferenz wird eine Studie der Universität Leipzig vorgestellt, die die Wirkung von Konstruktivem Journalismus qualitativ belegt und kritisch analysiert. Zudem wollen wir den Teilnehmer:innen eine Charta für Konstruktiven Journalismus vorstellen – ist kein Pamphlet, versprochen. Wir verstehen sie vor allem als einfaches Bekenntnis und als Einladung konstruktiver zu arbeiten.
Den detaillierten Ablauf sowie die zur Auswahl stehenden Workshops findet ihr im PDF.
Für die Teilnahme an der Konferenz berechnen wir einen Unkostenbeitrag von 10 Euro.
Im Rahmen der Konferenz wird eine Charta für Konstruktiven Journalismus vorgestellt und diskutiert. Sie ist als einfache, teilbare Einladung an und für Journalist:innen gedacht.
Konstruktiver Journalismus kann bei Nutzer:innen viel bewirken
Uwe Krüger, Journalismusforscher an der Uni Leipzig, über „prägende Medienerlebnisse, starke Leser:innen-Blatt-Bindungen und neue Wege in der Berichterstattung.
Uwe Krüger, gemeinsam mit Master-Studierenden der Uni Leipzig haben Sie Abonnent:innen der drei konstruktiven Medien Good Impact, Perspective Daily und FUTURZWEI befragt. Wie und warum?
Wir haben im März 2023 eine Online-Befragung laufen lassen, um herauszufinden, wie die Abonnent:innen diese Medien nutzen, wie sie sie bewerten und welche eventuellen Wirkungen die Lektüre hatte. Genauer gesagt wollten wir wissen, ob es „prägende Medienerlebnisse“ durch Konstruktiven Journalismus gibt und wie diese aussehen.
Was sind „prägende Medienerlebnisse“?
Das ist ein neues Konzept der Medienwirkungsforschung, das meine Kollegin Larissa Leonhard entwickelt hat. Es geht um Erfahrungen mit Medien, die individuell als besonders intensiv und folgenreich wahrgenommen und nachhaltig erinnert werden, die also nicht alltäglich sind.
Konstruktiver Journalismus: Kein Allheilmittel, sondern ein wichtiges Add-on
Medienkritiker Stephan Weichert spricht mit uns über die Entwicklung des Konstruktiven Journalismus in Deutschland, seine Grenzen und die für ihn entscheidende Zukunftsfrage.
Wie hat sich der Konstruktive Journalismus und die Debatte um ihn seit 2010 in Deutschland entwickelt?
Stephan Weichert: Es gibt zwei unterschiedliche Perspektiven. Einerseits gibt es die Debatte über Konstruktiven Journalismus, also über die Begriffsverwendung und das Narrativ, dass wir generell mehr Konstruktivität in Redaktionen brauchen. Dieser Diskurs geht tatsächlich schon lange zurück, bis Anfang der 2010er Jahre. Ich habe mich schon davor mit dem Friedensjournalismus, einem Vorläufer, beschäftigt, den der Psychologe Wilhelm Kempff und der Friedensforscher Johan Galtung Mitte der 1990er Jahre begründet haben. Damals gab es schon den Vorwurf, das es ein weltfremder Ansatz sei. Sinngemäß wurde argumentiert: Was nütze es Opfern und Kriegsparteien der Hinweis, dass es auch – anderorts – Frieden gäbe. Der Durchbruch im Diskurs zu Konstruktivem Journalismus kam aber um 2015 mit den Vorträgen und dem Buch des dänischen TV-Journalisten Ulrik Haagerup (Constructive News. Edition Ohlhauer, vergriffen, Anm. d. Red.)
Haagerup gründete dann 2017 das Constructive Institute an der Universität Aarhus.
Bereits vorher gab es das Solutions Journalism Network, das Tina Rosenberg, Courtney Martin und David Bornstein 2013 gründeten sowie den lösungsorientierten Ansatz in den USA. Er reicht bis in die 2000er Jahre zurück. Der Diskurs ist also nicht neu und hat verschiedene historische Stadien durchlaufen. Dennoch würde ich sagen, dass er gerade durch Haagerups Arbeit und der seiner dänischen Kolleg:innen hierzulande im journalistischen Alltag als praktische Handreichung angekommen ist.